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  Anvil of Dawn Review

(Diese Review gibt es auch als eine von mir gesprochene Rezension auf Youtube, siehe unten)

Das flammende (reitbare) Ross im Startbildschirm

Als ich das erste Mal 1994 ein Spiel von New World Computing spielte (es war Might and Magic III Isles of Terra), gefiel mir neben dem Open World Szenario, den Rätseln und der tollen Musik besonders das Gegner design. Nie zuvor habe ich solch fantasievoll und liebenswert designte Orks, Goblins und übergewichtige Vampirdamen gesehen. Fortan gehörten die Might and Magic Spiele für mich zu meinem Lieblingsspielen. Doch sollte 1995 ein weiteres Spiel von New World Computing herauskommen, welches das Gegner Design der Might and Magic Reihe noch übertreffen sollte: Anvil of Dawn.

Willkommen in Tempest, rechts oben sehen Sie eine der Sehenswürdigkeiten des Landes, der Anvil of Dawn

In der Fantasywelt von Tempest ist nichts mehr so, wie es mal war, als ein böser Kriegsherr die friedliche Welt mit seinen Armeen erobern will. Die Mächte des Guten bestreiten einen verzweifelten Krieg  gegen den Eroberer, doch sie werden vernichtend geschlagen. Man sagt, der Kriegsherr werde von den bösen Göttern mittels einer geheimnisvollen Magie geschützt und ist daher unverwundbar. In ihrer größten Verzweiflung versammelt der Königin die letzten verbliebenen Helden des Landes und gibt ihnen die Queste, das Geheimnis dieser Magie zu finden und ihm schlussendlich zu bezwingen.

Und hier nochmal der Anvil of Dawn in seiner ganzen Renderpracht

Anvil of Dawn wird im Gegensatz zur Might and Magic Reihe nur mit einer Figur gespielt, welche wir zu Spielbeginn auswählen dürfen. Zur Auswahl stehen rollenspielklassisch vom schmächtigen, aber zaubermächtigen Magier bis zum strunz dummen, doch im Nahkampf wild um sich schlagenden Krieger und weiteren Hybriden dieser Klassen zur Verfügung. Die Charakterwerte wie Stärke, Zaubermacht und Konstitution können angepasst oder sogar frei vergeben werden, allerdings verändern sie sich im weiteren Spielverlauf nur noch über die angelegte Ausrüstung. Die Auswahl der Spielfigur sieht wegen den anpassbaren Charakterwerten zunächst ziemlich unwichtig und willkürlich aus, doch alle Figuren im Spiel haben nicht nur eine eigene Sprachausgabe und Grafik, im weiteren Spielverlauf trifft man auch die anderen Helden wieder und kann mit ihnen dann unterschiedliche Gespräche führen. Die Spielfigur kann den Umgang mit verschiedenen Waffen wie Schwerter, Speere oder Wurfwaffen sowie magische Disziplinen wie Eismagie, Leerenmagie oder Feuermagie trainieren. Die Fähigkeiten der Spielfigur sind in 10 Fähigkeitsstufen unterteilt, wobei Nahkampf- und Zauberfähigkeiten unterschiedliche Berufsbezeichnungen haben. Die Fähigkeiten steigen ähnlich wie bei Daggerfall während der Anwendung, so kann ein speerkämpfender Charakter langsam aber sicher vom Novice zum Experienced schließlich am Ende Master im Speerkampf werden, während ein feuerballwerfender Charakter als Initiate seine Laufbahn beginnt, später dann Transcendet wird und dann seine Karriere als Archmage abschließt. Mit zunehmender Meisterschaft auf den jeweiligen Gebieten erhält die Spielfigur einen höhere Trefferchance und Schadenswirkung mit Nahkampfwaffen bzw. eine stärkere Zauberwirkung und geringerer Manaverbrauch für Zaubersprüche.

Another one bites the dust...Wir treffen auf einen gescheiterten Helden

Den passenden Helden ausgesucht, befinden wir uns in dem Schloss der Königin wieder, welches in dem klassischen 90° Bewegungssystem schrittweise erkundet wird. Dem großen Vorbild Dungeon Master bzw. Eye of the Beholder, wird Anvil of Dawn im Rätseldesign gerecht: Neben einfachen Schalterrätseln und die Auffindung des richtigen Schlüssels für eine Tür, gibt es aber auch noch anspruchsvollere und originellere Rätsel. So muss der Held zum Beispiel im späteren Spielverlauf im Eisentitan (einer riesigen Eisenstatue, welche man begehen kann) einen NSC schrumpfen, den der Kriegsherr zum Riesen verwandelt hat, um den weiteren Weg zu versperren. Dazu muss man auf jeder Ebene ein bestimmtes Feld erreichen und mit einen Antimagie Zauber bezaubern, um den Riesen nacheinander seinen Kopf, seinen Körper und am Ende seine Beine zu schrumpfen. Freundlich gesinnte Charaktere wie Wachen, der Schmied und der Hofmagier, können angesprochen werden und via Multiple Choice mit Fragen gelöchert werden. Verlassen wir einen Dungeon, schaltet das Spiel in die Weltperspektive um, in der der Held wie bei Renderadventures wie z.b. Myst mit einem Klick durch die Welt reist. Das Spiel hat eine vollständige Sprachausgabe, welche zumindest in der amerikanischen Originalversion sehr professionell rüberkommt. Waffen, Rüstungen und Gegenstände wie Heil-und Power Up Tränke werden im Inventarbeutel ähnlich wie in Ultima VII frei platziert aufbewahrt, die Ausrüstung wird direkt auf die „Anziehpuppe“ des Spielcharakters gelegt. Anvil of Dawn besitzt eine umfangreiches Auto Map, welche sogar freundlich wie feindliche NSC, Fallen und fallengelassene Gegenstände anzeigt. Treffen wir auf einen Gegner, wird in Echtzeit via Mausklick die Waffe geschwungen. Dabei werden die Angriffsbewegungen wie in einer Egoperspektive dargestellt, die Waffe ist somit während der Attacken auf dem Bildschirm sichtbar. Zauber werden mittels Klick auf ein Zauberspruchsymbol Stilecht als eine farbige Spur mit den Fingern auf dem Bildschirm gemalt (die Zauber werden aber automatisch gezeichnet, es ist nicht wie z.b. in Arx Fatalis nötig, alle Zauberzeichen selber zu zeichnen), während des Zauberns wird die Zeit kurz angehalten, um den Helden genügend Zeit für die Ausführung seines Zaubertricks zu geben.

Endlich mal ein freundliches Gesicht: Im Gespräch mit einem Händler

Selten gibt es Rollenspiele, deren Highlight nicht die Grafik und/oder die Musik und die Soundeffekte sind, sondern die spielerischen und erzählerischen Elemente,  Anvil of Dawn ist hier aber anders. Die Grafik ist mit seinen vorgerenderten Hintergründen zwar wenig innovativ, doch das Gegner design im Spirteverfahren ist einzigartig. Von dem ersten Gegner, Sword Thane, klassisch designt mit blutigen Schwert und Stachelrüstung über die Slither Fist, einer Schlange, die keinen Kopf, sondern eine Hand hat, in der sie einen Dolch zum Angriff trägt, zu den irre kichernden Jester, welche Blitztotenschädel jonglieren und auf den Helden werfen, bietet Anvil of Dawn eine unglaubliche Menge an fantastisch, designten Gegnern an, welche ich so bisher noch in keinen Rollenspiel gesehen habe. Alle Gegner im Spiel sind Einzigartig designt, es gibt daher nicht wie in anderen Spielen den gleichen Gegner, nur in Blau, Grün oder Rot. Neben den Kampfanimationen hat auch jeder Gegner eine Trefferanimation. So lässt der Jester bei einem Treffer plötzlich seine Blitzschädel fallen oder die aus einem Stechmückenschwarm bestehende Swarm Maiden verliert ihre Körperform und wird zu einem wild umher kreisenden Insektenschwarm. Die Sterbeanimation ist ebenfalls fantastisch, so wickelt sich die Slither Fist bei ihren Tode zu einen Kreis auf und der kreischende, blitzewerfende Thunder Demon verwandelt sich in einem Haufen Schmuckstücke, die klimpernd zu Boden fallen. Die Zaubersprüche sind nicht nur sehr ungewöhnlich und kreativ in Ihrer Bezeichnung, sondern auch grafisch ansprechend gestaltet worden. Der leerenmagische Zauber „Ritual of Unmaking“  öffnet verschlossene Türen und wird durch einen magischen Vorhang dargestellt, der die verzauberte Tür quasi nichtexistent macht oder der Zauber aus den Bereich der Fleisch Magie, „Rage of the Fallen Heroes“, versetzt die Spielfigur in einen berserkerhaften Kampfrausch, wobei sich das Gesicht der Spielfigur während der Spruchwirkung zu einer Fratze verzieht und die Augen gefährlich gelb leuchten. Jeder Feind hat außerdem seine eigene Sprachausgabe bzw. Soundeffekte, so provoziert uns der Sword Thane, wir sollen uns in den Nahkampf stürzen und uns nicht feige verstecken oder die lebendige, feuerspuckende Steinstatue Juggernaut lacht uns aus, wenn wir versuchen, es mit Nahkampfwaffen zu treffen. Musikalisch wird auch einiges geboten, die MIDI Klänge sind für jedes Gebiet unterschiedlich und sehr eingängig. Die Soundeffekte mit ihren teils markerschütternden Schreien und Stöhnen, welche passend im Kampf gegen die Horden des Warlords erschallen, tragen stark zur Atmosphäre von Anvil of Dawn bei.

Im Kampf gegen einen Jester

Mein Fazit:

Anvil of Dawn ist spielerisch sicherlich ein gutes Spiel (auch wenn das ewige Klicken zum Angreifen und die teils langen Zaubersequenzen irgendwann nerven), doch  das wahre Highlight des Spiels ist die Gegnervielfalt und ihr Artdesign. Nicht Rollenspielinteressierte sollten sich zumindest mal die Gegner in Aktion gesehen haben (z.b. auf You Tube in meinem Video, Anvil of Dawn Monster Zoo), klassische Rollenspielfans können in Anvil of Dawn ein umfangreiches und gut spielbares Rollenspiel finden.

Der Held mit sprechenden Zauberschwert und vollen Taschen
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© Mathias Haaf